Das Schulhaus bietet eine einmalige architektonische Aufgabe: Kein anderer Gebäudetypus wird vom ganzen Volk erlebt. Für unser freies Diplom an der ETH haben wir uns für ein Jahr mit der Geschichte, der Gegenwart und vor allem mit der prekären Zukunft der Volksschule in der Stadt Zürich befasst.
Ausgangslage
Die Stadt Zürich wächst. Die Geburtenrate ist derzeit so hoch wie zuletzt in den 60ern. Daraus resultiert, dass bis 2026 die Anzahl an Schulkindern um 21 Prozent steigen wird. Dieser Druck nach Schulraum wird durch sein blosses Volumen noch verschärft: bis 2030 braucht es mehr Schulen als je zuvor. Diese sollen da stehen, wo sie gebraucht werden, da wo Industriebrachen aufgefüllt und Genossenschaften nachverdichtet wurden. Dort hat es viel, nur Platz hat es keinen. Wie kann in einer stetig verdichtenden Stadt Schulraum rechtzeitig bereitgestellt werden?
Entwurfsidee
Um eine architektonische Lösung für das Zürcher Schulraumproblem zu finden, hat sich Altstetten als Bauplatz angeboten. Das Quartier ist heterogen, stark im Wandel und der relative Anstieg an benötigten Klassenzimmern ist hier mit 26 Prozent am höchsten. Im Zentrum stand die Schule Kappeli, deren Klassenanzahl sich in den nächsten 5 Jahren verdoppeln muss. Anhand bestehender Wettbewerbsausschreibungen lässt sich dies in ein Raumprogramm von 36’000m2 übersetzen. Im September 2019 waren auf diversen Immobilien-Portalen insgesamt über 60’000 m2 Fläche im Quartier zur Vermietung ausgeschrieben. Ein Grossteil dieser Flächen befand sich in Bürobauten aus den 80er und 90er-Jahren. Ebenso auffällig war der Leerstand in den Erdgeschossen von grossmassstäblichen Wohnbauprojekten.
Bei genauerer Betrachtung des Quartiers wurde auch der temporäre Leerstand ersichtlich. So sind viele Restaurants, vor allem jene in Hotels, mittags komplett ungenutzt. In der VBZ Zentralwerkstätte befindet sich eine 5’000 m2 grosse Erschliessungsfläche, auf der Trams rangiert werden. Dieser Teil der Halle wird allerdings nur für einen Bruchteil des Tages verwendet.
Unsere Analyse zeigt einen Überschuss an Raum, der aufgrund der Bau- und Zonenordnung nicht für die Schule aktiviert werden kann. Darin wird das Platzieren einer Schulnutzung auf Parzellen, die nicht öffentlichen Bauten gewidmet sind, verboten. Unser Projekt hebt diese Regel auf, um so ein ganzes Quartier zur Schule werden zu lassen.
Projektierung
Es sollten also nun eine Reihe von Gebäuden für die Nutzung durch die Schule aktiviert werden: Bürobauten aus den 80er und 90er-Jahren, die in relativ gutem Zustand sind, aber gegenüber den neu erstellten Gebäuden nicht mehr konkurrenzfähig sind; leere Erdgeschosse, deren Vermietung für Investoren rein finanziell nicht relevant ist; sowie temporäre Leerstände, wie beispielsweise in der Halle der VBZ.
Alle diese Ort sollten sich innerhalb eines Radius von 10 Minuten Gehdistanz um das Zentrum Kappeli befinden. Bei der Verbindung der einzelnen Orte in der Stadt war es aber nicht nur wichtig, sichere und kurze Wege zwischen den einzelnen Gebäuden zu gewährleisten, sondern ein Netzwerk zu kreieren, dass den Austausch zwischen Stadt und Schule fördert. Um das unabhängige Funktionieren der Schule zu gewährleisten, platzieren wir kosteneffiziente, rasch auf- und abbaubare hölzerne Strukturen, die eine einzigartige Präsenz in der Stadt und einen Wiedererkennungswert haben.
Die denkmalgeschützte bestehende Schule Kappeli bildet das Herzstück des Projekts und bleibt unversehrt. Die zwei bestehenden Züri-Modular Pavillons werden entfernt und der Stadtpark kann so wieder in vollen Zügen benutzt werden.
Es entsteht so ein Katalog an Strategien, durch welche Schulraum rechtzeitig bereitsteht:
1. LEERSTAND FÜLLEN
2. DACHFLÄCHEN AKTIVIEREN
3. ERDGESCHOSSE MIETEN
4. STADTEIGENTUM NUTZEN
5. INFRASTRUKTUR TEILEN
Realisierung
LEERSTAND FÜLLEN
Im Regimo-Büroriegel waren die zwei obersten Geschosse zur Vermietung ausgeschrieben.
Für die Stadtschule erhält der Riegel ein hölzernes Treppenhaus, welches die Schule erschliesst und den neuen Schulhof rahmt. Das Bürohaus beherbergt nun Klassenzimmer, die im Stützen-Plattenbau von flexiblen Raumteilungen profitieren.
DACHFLÄCHEN AKTIVIEREN
Im «Block22» mietet die Stadt die leeren Geschosse, um Klassenzimmer, Betreuungsinfrastruktur und eine Bibliothek unterzubringen. Eine hölzerne Brücke verbindet die Dachfläche der angrenzenden VBZ mit dem neuen Wintergarten, der als geschützte Schul-Loggia fungiert. Damit wird die Aktivierung von Dachflächen zur Alternative, um öffentliche Flächen in der verdichtenden Stadt zu generieren.
ERDGESCHOSSE MIETEN
Indem wir die EG-Flächen der Überbauung Letzibach für die Nachmittagsbetreuung verwenden, wird das urbane Leben aktiviert. Die hölzerne Brücke rahmt einen Begegnungsort für schule und Stadt und verbindet die einzelnen Angebote der Betreuung.
STADTEIGENTUM NUTZEN
Die einfachste Strategie in unserem Katalog ist das Verwenden von Stadteigentum. Zwei Geräteschuppen, ursprünglich als Lagerfläche verwendet, werden zu neuen Handwerksräumen der Schule.
INFRASTRUKTUR TEILEN
Durch das Einfügen eines hydraulischen Sportbodens in die Halle der VBZ, wird die kaum verwendete mittlere Erschliessungsfläche für die Schule aktiviert. Im Inneren der Tribünen finden die Geräteräume, Garderoben und Duschen Platz.
Besonderheiten
Schlussendlich verschwimmen die Grenzen des monumentalen Schulbaus in der Stadt, um ein Schul-Netzwerk zu bilden. In dem wir bestehende Strukturen verwenden, wird Schulraum rechtzeitig bereitgestellt, dabei weniger Ressourcen benötigt und es wird kostbarer urbaner Raum produziert.
Wir verstehen Verdichtung räumlich und programmatisch und überlappen dabei verschiedene Nutzungen und Nutzerschaften. Diese Verbindung zwischen Schule und Gesellschaft hat auch pädagogische Vorteile, die von der Schulforschung unterstützt werden: Die Kinder lernen von der Welt, die sie umgibt, sehen sich als Teil davon und werden ihrer Verantwortungen bewusst.
Das beste Klassenzimmer dafür ist die Stadt!
Beteiligte Studenten
Studenten Alexandra Grieder
Studenten Luka Travas
Universität/Fachhochschule ETH Zürich
Studenten
Alexandra Grieder
Studenten
Luka Travas
Universität/Fachhochschule
ETH Zürich Stefano-Franscini-Platz 5 8049 Zürich 044 632 11 11