Das Spittelerhaus wurde um 1750 erbaut, in drei Etappen über 150 Jahre erweitert und immer wieder umgebaut. Die Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Nutzungen hat es dem Spittelerhaus erlaubt, eine starke Landmarke im steten Wandel zu bleiben.
Der Umbau setzt die Tradition fort.
Ausgangslage
Ob Brauerei, Restaurant, Wohnungen oder Dienstleistungsräume: die Struktur hat geduldig alle Nutzungen über die Jahrhunderte aufgenommen und war nun ein weiteres Mal bereit, sich mit zeitgemässen Wohnungen neu zu erfinden. Die Verwandlung ohne Brüche in der Gesamterscheinung war möglich, weil man nicht am Konzept rüttelte und gleichzeitig nie eine übertriebene Erhaltungsstrategie verfolgte. Das Notwendige wurde jeweils vorgenommen und das - wie man an den Spuren unter dem Verputz und in Decken nachvollziehen konnte - mit den Materialien, die gerade vor Ort zur Verfügung standen.
Entwurfsidee
Während die Front- und die Stirnfassaden sich stolz mit Fensterrhythmus und sorgfältig gestalteten Fenstern repräsentieren, bildeten die Fenster der Hofseite die Ansprüche der jeweiligen Nutzungen ab. Je nach aktueller Nutzung wurden kleine und grosse Fenster eingebaut, zugemauert und wieder neue eingebaut. Als in den Siebzigerjahren eine hochwertige Hofbebauung die Rückseite zu einer Vorderseite erhob, erhielt sie ein zusammenfassendes, pflanzenbewachsenes Metallgerüst (siehe „Besonderheiten“).
Das Spittelerhaus wurde zuletzt während rund 70 Jahren als Bürohaus genutzt. Die neu vorgesehenen Wohnungen hatten andere Ansprüche. Es wurden grosse Öffnungen zur Südseite geplant, die Licht in die zur Nordseite durchlaufenden Räume einfliessen lassen. In das vorhandene Gerüst wurden Balkone für die Wohnungen eingefügt. Durch die Weiterverwendung des Gerüsts in seiner zusammenfassenden Qualität und die Fügung der Balkone in das Konzept des Gerüsts konnte das Fassaden- und Hofkonzept, trotz der starken Eingriffe an der Südseite, in selbstverständlicher Art die weitere Zukunft geführt werden.
Damit das Gebäude, das direkt an eine Einstellhalle der gleichen Bauherrschaft grenzt und ebenerdig mit dem Altstadtzentrum verbunden ist, die Vorteile der Konstellation nutzen kann, musste die Denkmalpflege für den Einbau eines von aussen nicht sichtbaren Lifts gewonnen werden. Dieser musste in Feinarbeit in die bestehende Substanz aus Bruchsteinmauerwerk und Holzdecken eingefügt werden.
Projektierung
Das Konzept des pragmatischen Weiterbauens galt auch für die Materialisierung. Die Flickstellen der Durchbrüche in der Fassade wurden wieder verputzt und in der bestehenden Farbe gestrichen. Die neuen Fenster auf der Hofseite konnten, trotz der Schutzwürdigkeit des Hauses, sprossenfrei eingesetzt werden, weil hier die Veränderungen des Hauses seit langer Zeit dokumentiert werden und der Filter des glyzinienbewachsenen Metallskeletts das heterogene Bild zur Einheit führt. Die Materialisierung der neuen Balkone war mitentscheidend, ob wir die Schlichtheit des bestehenden Klettergerüsts erhalten können. Die neuen Balkonböden sollten geschlossen sein, aber keine aufwändige Schichtung aufweisen. Die Lösung wurde in vorfabrizierten 4 cm dicken Betonplatten gefunden, die mit einem Kran in die bereitgestellten Felder gesetzt werden konnten.
Die Materialisierung im Innern verfolgte den bisher erfolgreichen pragmatischen Weg: Wo Materialien noch verwendbar erhalten waren, wurden sie renoviert, auch wenn es nur kleine Flächen waren. Die Veränderungen im Lauf der Vergangenheit sollten sichtbar bleiben, Neuerungen sich gelassen in das Umfeld einfügen - zu eng aufeinander waren die Wechsel von alt und neu. So wurde der bestehende Fischgratparket mit der gleichen Verlegeart in anderem Holz ergänzt. Die sechseckigen bestehenden Bodenplatten erhielten andernorts ein Pendant durch italienische gleicher Form.
Realisierung
Ein grosser Teil der Bausumme wurde für die Erneuerung der veralteten und immer wieder punktuell ergänzten Infrastruktur gebraucht. Es mussten neue Steigzonen eingeführt werden um Ordnung in die verblüffende Vielfalt der sich über die Jahre angesammelten Teil-, Ergänzungs- und Korrekturprojekte zu bringen. Die statischen Eingriffe wurden durch einen erfahrenen Ingenieur vor Ort begleitet. In vielen Fällen konnten Entscheidungen erst nach Öffnung der Wände und Decken getroffen werden.
Besonderheiten
Architekt Rolf Otto hatte auf einer Reise in den USA zusammen mit der Bauherrschaft die Bauten von Louis Kahn besucht. Die Reise hinterliess starken Eindruck und fand ihren Niederschlag in der Formulierung der Arkaden und Klinkerfassaden der gerne genutzten Hofbebauung. Die städtebaulich starke Bebauung brachte öffentliche Nutzungen in den vormaligen Hinterhof und forderte anschliessend die Reaktion an der Rückseite des Spittelerhauses, die in Form des bewachsenen Metallskeletts erfolgte.
Seinen Namen trägt das Spittelerhaus wegen seines früheren Bewohners, dem Nobelpreisträger Carl Spitteler, geboren 1845, der hier seine Kinderjahre verbrachte, bis die Familie 1849 nach Bern zog, um ab 1856 als Jugendlicher wieder nach Liestal zurückzukehren.