Tradition und Innovation im Einklang. Handwerkskunst vom Feinsten, kreative Lösungsfindung, kompetente Fachplanung sowie ein gutes Gespür für die historische Bausubstanz verwandelten das baufällige Engadinerhaus in ein Nullenergiebilanzhaus inklusive Spa.
Ausgangslage
Das 350 jährige Ensemble befindet sich im Dorfkern von Latsch. Durch das typische Rundbogentor gelangt man in den Sulèr, den Vorraum, der als Zugang zu den Wohnräumen und als Durchfahrt mit dem Heuwagen in die Scheune diente. Der Wohnteil tritt als massives Steinhaus in Erscheinung. Im Innern handelt es sich jedoch teils um einen Holzbau. Die Räume sind in Strickbauweise gezimmert und aufeinandergestapelt. Es lassen sich mehrere Bauetappen ablesen – das Ensemble wuchs mit der Bewohnerschaft und passte sich den Bedürfnissen an. Am Schluss stand es über 50 Jahre leer und war stark baufällig.
Entwurfsidee
In Zukunft soll jedes Gebäude sein eigenes Kraftwerk sein. Dabei wichtiges Kulturgut zu retten und mit Technik und guter Architektur zu vereinen, war unser Ziel bei diesem Projekt.
Das alte Wohnhaus mit Stall steht fest verwurzelt und charaktervoll im intakten Dorfkern von Latsch. Durch Licht, Geruch, Materialien und Oberflächen hat jeder Raum seine eigene Atmosphäre und erzählt Geschichten. Diese Geschichten, teils offen lesbar, teils unter Anstrichen oder Verkleidungen versteckt, wurden während des Umbaus stetig gelesen, analysiert und weiter interpretiert. Räume erhielten teils neue Aufgaben, die Atmosphäre blieb aber immer erhalten.
Bestehende Elemente wie Bruchsteinmauerwerk, Balken, Holzböden und barocke Möbel, aber auch ganze Zimmer und die pechschwarze Räucherkammer blieben erhalten und wurden fachgerecht restauriert. Alle Eingriffe passen sich respektvoll an und ergänzen ganz selbstverständlich die alte Baustruktur. Trotzdem sind sie klar erkennbar. Dies einerseits dank der reduzierten Formensprache und andererseits durch die Beschränkung auf wenige Materialien: Sichtbeton, schwarzer Stahl und einheimisches Lärchenholz, allesamt naturbelassen und unbehandelt.
Auf den grossen Dächern der beiden Stallbauten wird Sonnenenergie gewonnen, die im Sommer überschüssige Energie wird über die Erdsonde im Felsen gespeichert, wo sie im Winter klimaneutral zur Verfügung steht.
Projektierung
Von versteckten Zu- und Abluftleitungen im Spa-Bereich bis zu den vorfabrizierten Sichtbetonwannen, der gesamte Umbau war eine Gratwanderung zwischen exakter und flexibler Planung. Der hohe Ausbaustandard sowie die massgeschneiderten Details verlangten einerseits sehr früh eine hohe Präzision. Umgekehrt überraschte die krumme und schiefe Bausubstanz laufend mit neuen Eigenheiten und zwangen zu Toleranz und Flexibilität; bis zum Bauabschluss.
Realisierung
Den Keller betritt man unverändert von der Strasse über eine steile Rampe. Die Strassenpflästerung zieht sich bis in den Eingangsbereich. Was früher Durchgänge und Stallungen für Ziegen waren, ist nun ein Spa mit Garderoben und Technikräumen. Geblieben ist die Kelleratmosphäre: gedrungene, dunkle Räume, Gewölbe. Passend dazu gesellt sich das neue, bewusst niedrig gehaltene Spa komplett aus Sichtbeton mit horizontaler Holzstruktur – eine Wohlfühloase mit Blick in die Bündner Berge.
Sulèr, Stube, Küche und Vorratsraum im Erdgeschoss wurden restauriert und nach heutigem Standard ausgebaut. Die drei Obergeschosse werden neu über einen skulpturalen Treppenturm in Sichtbeton erschlossen. Seine Form schmiegt sich an den Strickbau der alten Zimmer an. Seine Kräfte werden über einen sichtbaren Betonbalken in der Decke des Erdgeschosses und durch die bestehenden Bruchsteinmauern ins Erdreich geleitet.
Die Scheune, in der einst Heu abgeladen wurde, ist jetzt eine Wohnhalle. In die bestehende Konstruktion wurde zur Wärmedämmung ein neuer Holzbau eingebaut, der Geometrie des Bestandes folgend. Filigrane Glasschiebefenster ermöglichen Ausblicke in die Berglandschaft. Der charakteristische Lichteinfall durch die alten Holzbalken sowie der dunkle Wand- und Deckenanstrich lassen erkennen, dass man sich in der ehemaligen Scheune befindet.
Der angrenzende Stall wurde in seiner alten Geometrie neu aufgebaut. So erhält der Wohnbereich eine Terrasse und das Spa einen gedeckter Aussenraum.
Besonderheiten
Massanfertigung von A bis Z
Viele Standards wurden überdacht, neu interpretiert, neu erfunden: Pool, Whirlpool und Dampfbad aus Sichtbeton, einbetonierte Unterputzarmaturen von VOLA, massgeschneiderte unsichtbare Wasserrinnen, freistehende Spiegel, Schiebetüren ohne sichtbare Führungsschienen oder ein abschliessbares Schiebeelement über der Kellertreppe usw.
Gesamtwerk aus einem Guss aussen und innen
Die ortstypischen Quadermalereien an den Fassadenecken wurden weitergeführt, dezent, zeitgemäss und selbstverständlich. Abgeleitet von den vielen schrägen Linien und Bauteilen, bedingt durch die damaligen Ressourcen und natürlichen Baustoffe und charakteristisch für die Engadinerhäuser, wurde ein neuer «Quader» aus drei verzogenen Rechtecken entworfen; eine Interpretation der Quadermalerei. Ob als Positiv-Negativ-Form, gespiegelt, addiert oder multipliziert, zieht sich dieser wie ein roter Faden durch das Gebäude. Die Wandbemalung in der Wohnhalle wurde in diesem Design entworfen, ebenso der grosse Spiegel im Master-Bad und alle Teppiche des Gebäudes.
Ein einheitlicher Leuchtentyp als Einbau-, Halbeinbau-, Hänge-, Wand- und Deckenleuchte wurde ebenso eigens gestaltet und entwickelt wie alle Lavabos, Duschtassen und Badewannen aus vorfabriziertem Sichtbeton, Schränke, Möbel, WC-Papierrollenhalter, usw.
Nullenergiebilanzhaus
Auch energetisch ist das Gebäude in seiner Art einzigartig. Es wurde als Nullenergiebilanzhaus konzipiert. Auf den grossen Dächern der beiden Anbauten wird durch Fotovoltaik- und Solarthermie-Paneele Sonnenenergie gewonnen. Die im Sommer überschüssige Energie wird über die Erdsonde im Felsen gespeichert, wo sie im Winter klimaneutral zur Verfügung steht. Geheizt wird das gesamte Haus vom Untergeschoss her. Als Bauteilaktivierung wurden in der Bodenplatte Heizschlangen eingelegt, durch die Spalten zwischen den Deckenbrettern gelangt die warme Luft in die oberen Etagen. Ergänzt wird dieses System durch Wandheizungen und örtliche Heizkörper.