Zusammen mit der Stiftung PWG haben wir an der Freihofstrasse kompakte, nutzungsoffene und autoarme Wohnungen realisiert. Darüber hinaus haben wir die Frage aufgeworfen, ob ein «einfaches Bauen» noch oder wieder möglich ist und dabei neue Wege im Bauprozess und der Konstruktion beschritten.
Ausgangslage
Bei dem Projekt handelt es sich um einen Ersatzneubau im ehemaligen Arbeiterquartier von Zürich-Altstetten, das wir über einen anonymen Wettbewerb gewinnen konnten. Die Stiftung PWG wünschte kompakte und kostengünstige Wohnungen ohne Tiefgarage. Eine 4-Zimmer-Wohnung sollte gerade mal 90 Quadratmeter messen. Bezüglich der Wohnform waren gebrauchstaugliche, robust materialisierte Wohnungen verlangt, in denen das Wohnzimmer ein weiteres, abschliessbares Zimmer darstellt.
Entwurfsidee
Das Wohnhaus Freihofstrasse führt als kompaktes, strassenständiges Haus mit rückwärtigem Garten die stadträumlichen Qualitäten des Quartiers fort. Das Projekt verfolgt die Idee eines «einfachen Bauens». Dies betraf die Konstruktion als auch den Erstellungsprozess: Entstanden ist ein gemauertes Haus mit verputzten Wänden, ohne haustechnische Einlage und Dämmplatte.
Die gekammerten und kleinräumigen Grundrisse sind kompakt organisiert und weisen einen hohen Gebrauchswert auf. Zentrum jeder Wohnung ist der abschliessbare Koch- und Essraum. Daran angelagert befinden sich die Individualräume mit durchgehend ähnlich grossen Flächen, wodurch sich nutzungsneutrale Räume für unterschiedliche Mieterprofile ergeben. Die Wohnungen besitzen dabei eine ganz eigene, irritierende Qualität zwischen Alt- und Neubau. Ihre Räume und Elemente zeichnen sich durch individuelle Charaktere aus, sie sind mal hell, mal schattig und ihre Fenster sowie Türen besitzen anthropomorphe Eigenschaften.
In Kohärenz zur städtebaulichen Absicht zeigt sich auch die Architektur zurückhaltend. Farbige Putzflächen, die in eine spannungsvolle Beziehung mit den plastisch ausformulierten Lauben aus vorfabrizierten Betonelementen treten, prägen den architektonischen Ausdruck. Gesucht wurde ein eigenständiger Charakter, der zugleich einen Bezug zu den umgebenden Bauten herstellt. Die Reliefarbeiten des Künstlers Christian Hörler an den Vordächern der beiden Eingänge verleihen dem Haus zudem ein szenografisches Moment.
Projektierung
Das kompakte Gebäude ist in einer konventionellen Massivbauweise erstellt. Sämtliche Innen- und Aussenwände bestehen aus tragendem Backstein, was zu geringen Spannweiten von max. vier Metern und dünnen Decken in Recyclingbeton führt. Die Lastabtragung erfolgt durchgehend vertikal; es wurde auf eine grundrissliche Übereinstimmung von Regelgeschoss zu Attika- und Gartengeschoss geachtet.
Die Backsteinwände der Fassaden sind in einem dämmenden Einsteinmauerwerk ausgeführt. Dieses ist zwar etwas teurer als eine Kompaktfassade, dafür aber über die Lebensdauer des Gebäudes praktisch unterhaltsfrei; es verhält sich wie Altbaufassaden, bei denen Putze und Farben vielfach über 50 Jahre alt sind. Gegenwärtige Einsteinmauerwerke sind auf die Dämmanforderungen von Minergie ausgelegt. Das Einsteinmauerwerk wird aussen mit einem glatten Putz verkleidet und mineralisch gestrichen. Die Putzflächen sind in verschiedenfarbige Bereiche gliedert und dekonstruieren damit den Körper ein Stück weit. Bei den Fenstern kamen Holz-Metallfenster zum Einsatz. Die vor Ort betonierten Lauben mit plastischer Gliederung sind freistehend. Die Entwässerung erfolgt über aussen liegende Spenglerrohre oder Speier.
Im Innenausbau wurden wenige robuste und langlebige Materialien verwendet: Feinsteinzeugplatten in den Bereichen Kochen/Essen, Entrée, Bad und Reduit und massives Eichenparkett in den Zimmern. Die Wände erhielten eine robuste Glasgewebetapete, die Betondecken wurden lediglich gestrichen.
Realisierung
Wie eingangs erwähnt, haben wir uns bei dem Projekt die Frage gestellt, ob so etwas wie ein einfaches Bauen noch oder wieder möglich ist. Wir alle kennen die Basteleien mit der Konsequenz mangelnder Dauerhaftigkeit und damit ungenügender Nachhaltigkeit, die Konflikte unter den Handwerkern auf der Baustelle usw. Wir wollten deshalb ein Haus entwerfen, bei dem der Baumeister einen Rohbau mit gemauerten Wänden und dünnen Decken erstellt, bevor die Installateure übernehmen und die Innenausbaugewerke die Wohnungen fertigstellen.
Entstanden ist ein Haus ohne eine Dämmplatte, ohne Einlagen, ohne kontrollierte Lüftung und dergleichen. Die Schächte mussten nun wirklich einmal durchgeführt und die Wandabwicklungen für die Elektroinstallationen gezeichnet werden. An den Fassaden dämmt ein dicker Backstein, der innen und aussen verputzt ist.
Besonderheiten
Die Art des Bauens, nämlich die Wahl einfacher Konstruktionen und traditioneller Handwerkstechnik, sollte die Wohnungen prägen. Sie besitzen eine eigene, irritierende Qualität zwischen Alt- und Neubau. Ihre Räume und Elemente zeichnen sich durch individuelle Charaktere aus. Sie sind in der Lichtstimmung mal hell, mal gedämpft, Fenster und Türen haben anthropomorphe Eigenschaften. Radiatoren, Elektrorohre, Türschwellen usw. wurden architektonisch thematisiert und «individualisiert». Dabei verlieren die Bauteile ihre Anonymität und werden zu Elementen der Identität und Identifikation. Wir sahen darin ein Potenzial, Verbindungen zwischen Mensch und Architektur herzustellen.
Das Türpaar im Küchenraum nannten wir Laurel und Hardy: Eine hohe, schlanke Türe mit tief sitzender Falle, ihr Freund, Schulter an Schulter, gleich daneben: behäbig und breit, wenig hoch, die Falle hoch sitzend. In der einen Hallenwohnung am Garten sahen wir ein freundschaftliches Wohnen mit Zwillingen, die aufgrund ihrer tragenden Funktion immer zu Hause sind und auf einen warten. Die Doppeltüren in der Attika leisten unterschiedliche Raumzusammenhänge, doch auch hier dominiert das Surreal-narrative. Das Irrationale des Moments eröffnet Assoziationen im Bewohner, die ihn mit seiner Wohnung verbinden.
Aufgrund solcher fiktiven Geschichten stellt sich Vertrautheit ein, wie wir es aus Altbauten kennen. Im Garten werden diese Geschichten weiterentwickelt. Aus dem Abbruch haben wir Gesimse, Fensterbänke u.Ä. herausgelöst, um sie später in die Gartenmauer einzulassen oder als Spolien im Garten zu platzieren. Bald werden sie eingewachsen sein und mit den gebauten Elementen zu einer neuen Ganzheit verschmelzen. Es wird eine Geschichte geschrieben, die Vergangenheit und Gegenwart verbindet, zwischen Erinnerung und Erwartung oszilliert. Dazu gehört auch die künstlerische Arbeit von Christian Hörler bei den Hauseingängen: Hier wird der Tisch zu einem anonymen, aber individuellen Leben des Alltags gedeckt.